Frei sein im Jetzt

Lange fühlte sich Carolina Fischer Waibel hin und her gerissen zwischen ihrem gut bezahlten Job und der spirituellen Welt des Yoga. Bis ihr eine Reise klar machte: Yoga bedeutet Verbindung und nicht Trennung. Sie musste sich nicht für eine der beiden Welten entscheiden, um glücklich zu sein. Heute führt die Yogalehrerin mit ihrem Mann Roland Fischer unter dem Namen ATHAYOGA erfolgreich Studios in Zürich und Zollikon. Ausserdem hat sie die Swiss Yoga Conference ins Leben gerufen, die Ende Mai zum dritten Mal stattfindet.  


Deine Mama ist auch Yogalehrerin. Bist Du also mit Yoga aufgewachsen?

 

Ja, aber ich habe damals gar nicht gewusst, dass es Yoga war. Damals lebten wir noch in Venezuela und es wurde nicht so ein Hype um Yoga gemacht. Erst in der Pubertät, mit 13, 14 Jahren habe ich gemerkt, um was es geht.

 

Warum hat es Dich auf einmal interessiert?

 

Meditation, Buddhismus, Zen – all das fand ich schon immer spannend. Aber erst, als wir in der Schweiz lebten, habe ich mich ernsthaft damit beschäftigt. Ich habe als erstes die Sivananda-Tradition kennengelernt. Damals gab es nicht viele Ausbildungen in der Schweiz, also ist meine Mama viel bei Sukadev Bretz in den Ashrams von Yoga Vidya gewesen. Und ich durfte mitfahren.

 

Das ist aber nicht das, was 14-Jährige sonst so machen, oder?

 

Klar, es war etwas speziell, aber es war auch faszinierend. Es war alles sehr mystisch: das frühe Aufstehen, Pranayama, Meditation, das Singen, Community Life, Vorlesungen. Ich hatte etwas Mühe mit dem Singen und habe mich vor der Meditation und dem Pranayama morgens um 4.30 Uhr versteckt – aber Sukadev hat mich immer gefunden. Es war eine Art Hass-Liebe: Ich habe mich dagegen gewehrt, aber es hat mich doch interessiert. Und die Philosophie fand ich immer sehr beeindruckend.

 

Wann kamst Du auf die Idee, Lehrerin zu werden?

 

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal unterrichte! Ich habe mein erstes Teacher Training mit knapp 20 Jahren gemacht, ohne es zu wissen. Ich war einfach immer dabei, als die Swamis zu uns nach Hause kamen. Später habe ich ganz normal eine Karriere in der Wirtschaft angestrebt und immer wieder Yoga gemacht, es gehörte zu meinem Leben dazu. Aber die ersten zehn Jahre richtete sich der Fokus stark nach innen, es ging um Meditation, autogenes Training, Pranayama. Das war kein Body Workout wie heute. Ich hatte Mühe mit diesem körperlichen Yoga. Für mich war Yoga immer ein Mittel, meinen Körper gesund zu halten. Das muss niemand sehen, das ist keine Show. Ich kann mich nicht von meinem Ego trennen, wenn ich mich dermassen über meinen Körper definiere.

 

Und wie und wann hast Du das Yoga entdeckt, das wir heute üben?

 

Erst mit etwa 26 – bei einer Jivamukti Yoga Immersion. Das war eine Mischung aus Asana, Bhakti und philosophischer Praxis, die ich aus dem Sivananda kannte. Dort habe ich mich daheim gefühlt und physisch viel dazu gelernt. Zu allen anderen Stilen hatte ich damals keinen Bezug.

 

Das heisst, Yoga lief weiterhin neben dem Beruf?

 

Ja, ich habe immer mal wieder zwischen Marketing bzw. Werbung und Private Banking gewechselt. Ich habe zwar sehr gern organisiert, aber Private Banking war einfach besser bezahlt (lacht). Damals war ich etwas materialistischer unterwegs. Genau das war 20 Jahre lang mein grösster Kampf: dieses Doppelleben zwischen Spiritualität und Yoga versus Business. Ich dachte nur immer: Ich gehöre in keine der beiden Szenen so richtig – ich wollte frei sein.

Aber irgendwann hast Du Dich doch entschieden, zu unterrichten?

 

Meine Mama hat irgendwann Vertretungen gesucht und ich bin eingesprungen. Aber ich war so eingespannt im Job – ich war nicht wirklich bereit, zu unterrichten. Erst mit Ende 20 wurde es langsam mehr. Bis ich dann 2008 eine Yoga-Job-Identitätskrise hatte. Ich hatte meinen Job gekündigt, weil es so streng war, und hatte eine Überdosis Yoga … diese ganzen «Does and Dont’s» empfand ich als wahnsinnig anstrengend.

 

Das klingt aber nicht so, als hättest Du Dich aus vollem Herzen fürs Yoga entschieden …

 

Ich spürte damals, ich muss weg. Roland war gerade mit seinem Master fertig, also sind wir sieben Monate gereist. Eines Tages wollte ich meditieren, obwohl ich mich eigentlich völlig dagegen gewehrt habe. Aber ich wollte nicht zu hart zu mir sein, also dachte ich, setz Dich einfach mal hin und meditiere. Und es war der richtige Zeitpunkt, denn ich habe eine Message bekommen – was mir übrigens oft passiert. Ich wollte lange nicht auf diese Nachrichten hören. Wenn man jung ist, weiss man einfach nicht, was man damit anfangen soll. Heute sehe ich das als Gabe an.

 

Welche Nachricht hast Du damals beim Meditieren erhalten?

 

Ich war allein am Strand, im Sonnenuntergang. Dort habe ich Frieden mit mir und dem Yoga geschlossen. Ich habe begriffen, dass der Kampf nicht im Aussen stattfindet, im Yoga, das sich zu dieser Zeit sehr veränderte, oder im Job. Sondern er findet in mir statt. In diesem Moment wurde ATHAYOGA geboren: Ich wusste, ich möchte etwas eröffnen und ich wusste, wie es heissen sollte. Bei dieser Meditation habe ich so einen Frieden erlebt, also wollte ich den Namen aus dem ersten Yogasutra wählen:  ATHA – Jetzt. Seitdem ist das mein Mantra.

 

Und dann ging es in der Zürcher Altstadt los mit dem ersten Studio?

 

Ja, wir haben gleich einen Raum gemietet, zunächst nebenan an den Oberen Zäunen. Aber dann erhielt ich nach einer Herzmeditation wieder eine Message. Ich kam aus der Stunde und konnte mich nicht mehr bewegen. Die Nachricht war ganz klar: Ich musste mich umdrehen, ein bestimmtes Haus ansehen und wusste genau, dort werde ich das Studio eröffnen. Daheim habe ich im Immobilienportal die Strasse eingegeben – und es war etwas frei! Zunächst sah es dann nicht so aus, als dass wir uns das Studio leisten könnten. Aber die Vermieterin hat sich doch für uns entschieden.

 

Wie oft hast Du damals unterrichtet?

 

Nur zweimal in der Woche, ich wollte das parallel machen zu meinem Job, weil mir die finanzielle Sicherheit weiterhin wichtig war. Aber ich habe das unterschätzt. Mit der Zeit wurde es ganz schön kompliziert, das Studio nebenher zu betreiben: die Untervermietungen, die Organisation der Lehrer, das Schlüsselübergaben, das Putzen, die Werbung. Noch dazu ist ein Yogastudio ein «anderes» Unternehmen, das auch anders funktioniert als andere Firmen, Läden, Büros. Alles ist familiärer, man arbeitet mit Teilzeitangestellten und Freelancern. Dennoch braucht man gewisse Regeln, wie man sein Unternehmen führen will.

 

Das war ein Lernprozess?

 

Wir haben die ersten drei, vier Jahre recht viel rumprobiert. Weder Roland noch ich waren Unternehmer, sondern Angestellte. Irgendwann hatten wir das Selbstbewusstsein zu sagen: «Yoga darf Business sein». Sobald Geld fliesst, ist es ein Business. Ich habe angefangen, viel zu ändern und wir sind grösser und besser geworden. Im Job habe ich immer mehr reduziert, aber ich war nicht glücklich. Ich war so hin- und hergerissen zwischen beiden Jobs. Roland hat immer gesagt, ATHAYOGA sei zu gross für ein Hobby, aber zu klein, um davon leben zu können.

 

Also habt Ihr Euch vergrössert …

 

Ich hatte mal wieder eine Eingebung und fuhr ausnahmsweise einmal am See entlang in die Stadt. Und auf einmal sah ich diese tolle Location, in der damals noch der Showroom eines Möbelladens war. Ich ging rein und es war keiner da. Also schaute ich eine Weile in Ruhe auf den See und wusste, das ist es. Später sah ich online, dass die Location zu vermieten war.

 

War das wieder eine solche Nachricht wie schon beim Studio im Zürcher Niederdorf?

 

Genau. In meinen jungen Jahren konnte ich nicht damit umgehen, ich fand das unheimlich. Ich bin in einen Raum hineingelaufen und konnte Gedanken spüren, das war mir alles zu viel. Deswegen bin ich sehr in der Yogaphilosophie stecken geblieben. Sie war mein Halt und eine Erklärung für das, was ich gefühlt habe. Mit der Zeit – und vor allem während unserer Reise damals – habe ich mich sehr mit meinen Fähigkeiten auseinandergesetzt und mich besser kennengelernt. Ich konnte besser damit umgehen, dass ich so feinfühlig bin.

 

Wie ging es mit Zollikon weiter?

 

Roland war zunächst dagegen, liess sich aber überzeugen. Also haben wir innerhalb von dreieinhalb Wochen alles selbst renoviert – und auf einmal machte die ganzen Yoga-


Philosophie Sinn: Die Kraft war da, alles floss, auf einmal verstand ich das ATHA. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung von Zollikon habe ich meinen Job gekündigt, Roland ein Jahr später.

 

Und auch der Erfolg der Retreats hat Euch Recht gegeben …

 

Wir waren mit die ersten, die in der Schweiz Retreats angeboten haben. Diese Idee ging richtig durch die Decke, wir waren extrem erfolgreich. Somit habe ich mich vor allem auf die Retreats konzentriert. Später entstand dann auch die Idee, eine Yogakonferenz in Zürich zu etablieren...

 

Wie kam es dazu?

 

Zum ersten Mal darüber nachgedacht haben wir vor sechs, sieben Jahren. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt: Erst war ich noch im Job, dann kam Zollikon dazu … Dann war eines Tages Young Ho Kim bei uns daheim und wir sprachen über neue Projekte. Auf einmal ging es schnell und wir entschieden, gemeinsam eine Konferenz auf die Beine zu stellen.

 

Inside Yoga aus Frankfurt war damals mit im Boot?

 

Ja, die erste Swiss Yoga Conference haben wie zusammen mit Inside Yoga Frankfurt umgesetzt. Wir haben aber alle festgestellt, dass das durch die Entfernung organisatorisch zu kompliziert ist. Seit dem zweiten Jahr haben wir mit der Eventagentur Russen & Berger einen festen Partner an unserer Seite.

 

Hast Du Dich von anderen Konferenzen inspirieren lassen?

 

Nein, ich war noch nie auf einer anderen Yoga-Konferenz! Die Inspiration muss aus mir selbst kommen, ich muss erst einmal wissen, was ich möchte. Kommt das von aussen, werde ich unsicher. Aber klar, im ersten Jahr half die Erfahrung von Young Ho, der seine eigene Inside Yoga Konferenz in Frankfurt hat.

 

Wie viel Zeit nimmt die Organisation der Konferenz in Anspruch?

 

Extrem viel Zeit! Beim ersten Mal war es vielleicht sogar einfacher. Alles ist neu, man ist euphorisch, hat eben keinen Vergleich. Beim allen weiteren Veranstaltungen willst Du aus Fehlern lernen, alles toppen, die Location noch perfekter, die spannendsten Lehrer haben. Je grösser wir werden, umso mehr Aufwand ist es – aber die Manpower ist dieselbe geblieben! Aber keine Angst, wir haben noch Luft nach oben, die Swiss Yoga Conference kann noch wachsen.

 

Habt Ihr eine Vision hinter der Swiss Yoga Conference?

 

Mit der Conference wollen wir in Zürich allen Yoga-Interessierten eine Plattform bieten, sich gegenseitig zu inspirieren – auf neutralem Boden, ohne zu esoterisch oder zu cool zu sein. Wir möchten professionell, aber mit Leichtigkeit etwas wachsen lassen, ganz im Sinne unseres Mottos im ersten Jahr: «We are all teachers, we are all students». Unsere Vision wollen wir mit all unseren Projekten umsetzen: so vielfältig wie möglich zu sein. Nur dann können wir unsere Schüler bestmöglich dabei unterstützen, authentisch zu sein, sich zu verändern, zu wachsen und ganz klar auf ihre Intuition zu hören.


Carolina Fischer Waibel führt gemeinsam mit ihrem Mann Roland Fischer das Yogastudio ATHAYOGA. In den beiden Locations in der Zürcher Altstadt und in Zollikon am Zürichsee sowie bei der Swiss Yoga Conference unterrichten hochqualifizierte Yogalehrer, ausserdem sind regelmässig weltweit renommierte Lehrer zu Gast.